Von einem milden Spätsommer

Der Sommer des Jahres 2018 war wie er sommerlicher nicht hätte sein können. Keine Wolke am Himmel, kein Regentropfen hat die Sonne bei ihrer Arbeit gestört! Doch nun, was kommt jetzt?

Sommerlicher Ausklang

Nach der langanhaltenden Hitze freuen wir uns förmlich über mildere Temperaturen. Nachdem ein Großteil der Blumen vertrocknet ist und an vielen Bäumen schon das Laub hängt, stimmt sich die Natur in diesen Tagen schon langsam auf den kommenden Herbst ein. Doch zuvor gibt es noch eine kleine Jahreszeit für zwischendurch, genauer gesagt zwischen Sommer und Herbst – den sogenannten Spätsommer, auch Altweibersommer genannt. Die heiße Jahreszeit verabschiedet sich allmählich und die Luft wird wieder angenehm in diesen Tagen. Bäume und Pflanzen können aufatmen angesichts der milderen Temperaturen und geben ihre letzten Früchte zur Ernte frei. Herrlich duftende Äpfel, saftige Birnen und schmackhafte Tomaten zaubern einem die letzte Süße des Sommers in den Mund. Es ist die Zeit zu genießen, die Natur zu riechen und zu probieren und vor allem viel Kuchen zu backen.

Der Frühling hat es angefangen,

Der Sommer hat’s vollbracht.

Seht, wie mit seinen roten Wangen

So mancher Apfel lacht!

(Hoffmann von Fallersleben)

Das Ausklingen des Sommers geht in diesen Tagen mit einiger Arbeit einher. Da ist zum einen das Obst, was noch geerntet werden will, woraus entweder Marmelade gekocht oder Saft hergestellt wird. Der Mensch bereitet sich auf einen langen Winter vor, indem er vorsorgt, einkocht und seine Vorratskammern auffüllt. Zum anderen ist da der Garten, der noch aufgeräumt werden muss, verblühte Blumen werden zurückgeschnitten, Büsche und Bäume zurechtgestutzt. Der Mensch liebt die Ordnung auch im Winter und räumt sicher bald die letzten Gartenmöbel ins Trockene. Das Ganze hat ein bisschen von einem Abschied in diesen Tagen, doch es scheint so, als würden die Menschen das nicht einmal bedauern. Zu groß ist vielleicht die Vorfreude mancher auf kalte Tage drinnen vor dem Kamin, auf heißen Tee in der Hand mit dicken Socken an den Füßen.

So schmeckt der Spätsommer: nach süßen reifen Äpfeln.

Altweibersommer

Der Begriff, der erstmals aus dem 17. Jahrhundert bekannt ist, trägt mehrere Bedeutungen in sich, von denen nicht eindeutig geklärt ist, in welcher etymologischen Abhängigkeit sie zueinander stehen. Die erste Deutung besitzt leider kaum schriftliche Zeugnisse, sondern wurde stets per Mundart weitergegeben, was ihre historische und literarische Beweiskraft eindeutig schmälert. Auf jeden Fall deutet sie inhaltlich auf eine zweite Jugend von Frauen hin, was gemeinhin eher als eine verächtliche Ausdrucksweise in Bezug auf das weibliche Geschlecht betrachtet wird.

Die zweite Deutung erscheint hingegen schon plausibler und ist zumindest äußerst passend zu diesem Artikel. Laut dieser Erklärung leitet sich der Begriff von der chronologischen Deutung des Spätsommers als Nachsommer oder als sommerlicher Herbst ab. Sprachgeschichtlich konkurriert dieser Ausdruck jedoch mit weiteren feststehenden Sommerbegriffen wie mit dem St. Michaelssommer, der etwa mit dem 29. September des gregorianischen Kalenders einen kirchlichen Feiertag zu Ehren des Heiligen St. Michael beschreibt oder auch den St. Martinssommer am 11. November mit gleicher Interpretation.

Der schöne Sommer ging von hinnen,

Der Herbst, der reiche, zog ins Land.

Nun weben all die guten Spinnen

So manches feine Festgewand.

(Wilhelm Busch)

Die letzte Bedeutung ist gänzlich anders geartet und wird auf ein Naturphänomen zurückgeführt. Demnach hängt der Begriff mit den Spinnenfäden zusammen, aus denen sich junge Spinnen ihre Netze weben und mit denen sie die Landschaft bedecken. Etymologisch beziehungsweise mythologisch könnte das allerdings gut mit der ersten Deutung zusammenhängen, denn laut Überlieferungen werden die Spinnweben aufgrund ihrer silbrigen Optik mit den ausgekämmten Haaren von alten Weibern in Verbindung gebracht. Wobei die Verwendung des Ausdrucks alte Weiber in Sagen und Geschichten hierbei keineswegs diskriminierend gemeint ist, sondern eher an weise alte Frauen erinnern soll.

So riecht der Spätsommer: nach duftigen, goldenen Ähren.

Indian Summer

Wie auch immer man den Spätsommer deuten mag, die fünfte Jahreszeit ist definitiv eine mystische. Sie lässt uns den vollen Geschmack des Lebens spüren, im Angesicht der sterbenden Natur. Das Laub der Bäume verfärbt sich zunächst bunt, bevor es auf den Boden fällt. Indian Summer wird im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch diese Wetterperiode genannt, bei dem sich unter langanhaltender Wärme und Trockenheit Laub- und Mischwälder intensiv bunt färben. Bezeichnend ist auch der strahlend blaue Himmel, der diese Witterungserscheinung stets begleitet. Der magische Anblick der Natur findet sich sinnbildlich in einer Legende des Indianerstammes der Irokesen wieder, die davon erzählt, wie zwei Jäger einen Bären jagen und schließlich erlegen, sodass dessen rotes Blut die Blätter tränkt.

Im Nebel ruhet noch die Welt,

Noch träumen Wald und Wiesen:

Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,

Den blauen Himmel unverstellt,

Herbstkräftig die gedämpfte Welt

In warmem Golde fließen.

(Eduard Mörike)

Der Begriff Indian Summer hat mittlerweile auch schon in den deutschen Sprachgebrauch Einzug gehalten und steht hier neben dem Naturvorgang in der Konsum- und Werbewirtschaft unter anderem stellvertretend für lässige Sommermode an kühlen Tagen und hippe Partys in lauen Sommernächten. Dabei sind neben leckeren Drinks auch satte Farben gefragt, hauptsächlich in den warmen Tönen Rot, Orange, Gelb und Braun – eben alles, was der Natur in diesen Tagen am nächsten kommt. Neben der Möglichkeit, sich den Spätsommer durch etliche Wohnaccessoires ins Haus zu holen, ist die Tatsache, ihn draußen erleben zu können, doch um einiges schöner. Vielleicht sollte an dieser Stelle der letzte Gartenstuhl noch nicht eingeräumt werden, bietet er doch die Möglichkeit, ein wenig länger zu verweilen.

So leuchtet der Spätsommer: in einem satten Rot und Orange.

Abschied vom Sommer

Vorbei ist die Zeit von Wassermelonen und Chlorgeruch auf der Haut, die ersten Freibäder schließen langsam ihre Pforten, nur die Hartgesottenen schwimmen auch weiterhin draußen durch den Winter. Die letzte Kohle im Grill ist endgültig verglüht und das kalte Bier wird am Lagerfeuer langsam zu warm. Straßen- und Stadtfeste klappen allmählich ihre Bürgersteige hoch und auch die Natur beginnt mit der Suche nach Quartieren. Während wir froh darüber sind, die lästigen Mücken und Wespen endlich los zu sein, hoffen wir darauf, dass Eichhörnchen und Igel bald unsere Futterstellen aufsuchen, damit wir Ihnen genug Nahrung zum Überwintern anbieten können. Besonders nach diesem heißen Sommer ist das Angebot rar und über Wasser und geeignetes Futter freuen sich die kleinen Gäste allemal!

Nun lass den Sommer gehen,

Lass Sturm und Winde wehen.

Bleibt diese Rose mein,

Wie könnt ich traurig sein?

(Joseph von Eichendorff)

Am Ende bleibt mir nur zu sagen: Bei allem, was ihr noch zu tun habt, bei allem, was noch in den nächsten Tagen ansteht oder auf euch wartet, nehmt euch vielleicht einmal ein bisschen Zeit zwischendurch, geht raus in die Natur und genießt diese letzten warmen Sonnenstrahlen! Nehmt euch ein wenig Zeit für diesen wunderbaren Spätsommer, mit all seinen bunten Facetten, denn was der Herbst uns bringen wird, das weiß keiner so genau! Oder anders gesagt: Nehmt euch einfach mal wieder etwas Zeit, zum Durchatmen, zum Abschalten – nur für euch!

So sieht er also aus, der Spätsommer, im Rückspiegel!

 


 

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