Es ist schon lange her, dass ich in Prag war! Bis heute denke ich oft an die goldene Stadt. Und ich frage mich: Werde ich sie jemals wiedersehen?
Kafka und der Maulwurf
Prag ist die Hauptstadt von Tschechien und liegt mit nur knapp einer Autostunde Entfernung relativ nah an der Grenze zu Deutschland. Ich bin damals mit einer Airline hingeflogen, was von Dortmund aus jedoch auch nur eine gute Stunde gedauert hat – vom Check-in und der Wartezeit am Flughafen einmal abgesehen. Zudem handelte es sich dabei um eine meiner ersten Flugreisen, was wohl auch ein Grund dafür ist, warum Prag immer etwas Besonderes für mich bleiben wird. Aber auch die Tatsache, dass das historische Zentrum von Prag zu den Welterbestätten der UNESCO gehört, und die geschichtliche sowie kulturelle Bedeutung der Stadt machen Prag zu einem der beliebtesten Reiseziele in Europa. So bin auch ich eingetaucht in eine Welt voller Märchen und Sagen und habe noch mehr über die deutsche Geschichte erfahren, die eng mit der tschechischen verbunden ist.
Als Schüler*in und Germanistikstudent*in wird man ja für gewöhnlich mit allerlei Literatur konfrontiert. Vieles davon ist schöngeistig, manches auch ziemlich geistreich und anderes wiederum beides nicht. Ein Werk, das mich bis heute auf unerklärliche Weise immer neu beschäftigt und mich seit der Schulzeit nie wieder richtig losgelassen hat, ist der von Franz Kafka unvollendete Roman “Der Prozess”. Anders als bei ähnlich faszinierenden Werken wie zum Beispiel Goethes Faust habe ich mir zu “Der Prozess” bis dato immer noch keine abschließende Meinung gebildet, was vermutlich in seiner Deutungsvielfalt und nicht gerade einfachen Beschaffenheit liegt. Dabei hilft es auch wenig, schon an dem Grab von Franz Kafka auf dem Neuen Jüdischen Friedhof gestanden zu haben, denn Tote kann man ja schlecht dazu befragen.
Weniger kompliziert, dafür aber umso mehr beliebt, ist “Der kleine Maulwurf” von dem tschechischen Zeichner Zdenek Miler. Die ausgezeichnete Geschichte darüber, wie der kleine Maulwurf zu seinen Hosen kam, machten ihn neben seinen regelmäßigen Auftritten in der erfolgreichen Kindersendung mit der Maus über alle Maßen bekannt, sodass der kleine Maulwurf sogar schon in Begleitung eines Astronauten an Bord eines Space Shuttles mit ins All fliegen durfte. Aber Tschechien hat noch weit mehr zu bieten an unzähligen Geschichten, Legenden, Sagen und Mythen, mit denen es sich in der Tat auseinanderzusetzen lohnt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle den Golem, der in einigen Adaptionen leider als bösartige Figur erscheint, wobei er jedoch in einer seiner bekanntesten Version in Zusammenhang mit dem Rabbi Löw als Beschützer der Menschen auftritt.
Die neue Schlossstiege führt vom Hradschin, dem Ort der Burg, hinunter zur Karlsbrücke!
Die goldene Stadt
Neben dem Reich der Literatur ist Prag auch noch unglaublich reich an historischer Bedeutung, kulturellen Vielfalt und unglaublich vielen Sehenswürdigkeiten. Hoch oben über der Stadt thront die Prager Burg, die im 9. Jahrhundert gebaut und seitdem auch immer wieder erweitert und verändert wurde. In ihr finden sich nicht nur die unterschiedlichen Stilelemente der einzelnen Epochen wie beispielsweise Romanik, Gotik, Renaissance und Barock wieder, sondern sie ist ebenso Schicksalsort für historische Ereignisse und Auslöser des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648 n. Chr.), bei dem sich die böhmischen Protestanten gegen die katholischen Habsburger richteten. Damit ist die Bedeutung der Prager Burg für die deutsch-tschechische Geschichte im Zuge des zweiten Prager Fenstersturzes ein für alle Mal besiegelt.
Der gesamte Burgkomplex, der als das größte Burgareal der Welt gilt, lädt außerdem zum ausgiebigen Verweilen ein, so viel gibt es dort zu entdecken. Wer es wagt, sich die wirklich extrem steile Wendeltreppe des Veitsdoms, der sich mitten auf dem Burggelände befindet, hinaufzusteigen, der wird mit einem wunderbaren Ausblick über Prag belohnt. Der Aufstieg ist allerdings bei hohem Touristenaufkommen nichts für schwache Nerven, denn um den Höhenunterschied von circa 100 Metern zu überwinden, müssen zunächst einmal knapp 300 Stufen absolviert werden. Die Anzahl der Stufen allein wäre wohl nicht das Problem, würde man sich nicht inmitten einer kriechenden Schlange aus Menschen befinden, denen für die Zeit des Aufstiegs nicht einmal eine ganze Stufe alleine zur Verfügung steht. Schlimmer noch, der Gegenverkehr befindet sich auf der gleichen engen Wendeltreppe und lässt einen vor allem beim Abstieg ins Schwitzen geraden, sind die Treppenstufen an der inneren Wand doch wesentlich schmaler als an der Außenwand! Ich glaube, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so sehr wie ein Dominostein gefühlt, der auf keinen Fall – komme, was will – kippen darf!
Hinter dem Dom befindet sich an der Burgmauer das Goldene Gässchen, das sich mit seinen kleinen Häuschen, die sich bunt aneinanderreihen, einen großen Namen gemacht hat. Man munkelt, dass hier damals Alchimisten am Werk waren, die auf der Suche nach dem Stein der Weisen auch künstliches Gold hergestellt haben sollen. Später dienten die winzigen Häuser als Unterkünfte für Wachen und noch später waren Sie das Zuhause von Handwerkern wie Goldschmiede und Schneider. Heute dienen die Häuschen als lebendiges Museum, in das man ganz hineingehen und staunen kann. Außerdem sind darin kleine Souvenirläden und feine Cafés untergebracht. Über die Schlossstiege geht es hinunter zur Karlsbrücke, eines der meines Erachtens beeindruckendsten Bauwerke. Nicht unbedingt, weil sie so ausgefallen ist, sondern weil sie beim Überqueren so eine sagenhafte Atmosphäre schafft.
Die Karlsbrücke, eine der ältesten Steinbrücken Europas, verbindet die Seite der Burg mit der historischen Altstadt von Prag. Unter ihr hindurch fließt die Moldau, die sich mit über 400 Kilometer Länge ihren Weg durch das Land bahnt. Der Fluss, dem der tschechische Komponist Smetana sein berühmtestes Werk widmete, und auf dem sich im Sommer wunderbar Tretboot fahren lässt, kostete im Zuge einiger Überflutungen in der jüngsten Vergangenheit leider schon einige Menschen das Leben. Passiert man die Brücke, kommt man an etlichen Statuen vorbei, die in den letzten Jahrhunderten dort zum Gedenken und zu Ehren verschiedener Heiliger aufgestellt wurden. Die Altstadt von Prag ist im Grunde genommen eine einzige Sehenswürdigkeit. Neben weiteren monumentalen Bauwerken wie zum Beispiel das Nationaltheater gibt es noch unzählige Museen, Kirchen, Synagogen, Friedhöfe und Parks zu besichtigen. Und es finden sich daneben noch mehr Restaurants, Bars, Cafés und Kneipen, zwischen denen man sich allesamt gar nicht entscheiden kann, denn so viel kann man eigentlich gar nicht essen und trinken wie man gerne möchte!
Stundenlang kann man sich am Flussufer aufhalten und dem Strom der Moldau zuschauen!
Prost! Na zdraví!
Für ganz ausgefeilte Gourmets ist die tschechische Küche dann aber leider doch nichts, denn hier geht es eher deftig und herzhaft zu. Vor allem traditionell böhmische Gerichte wie Braten, Knödel und Sauerkraut stehen ganz weit oben auf den Speisekarten der Lokalitäten. Wer es lieber vegetarisch mag, der kann sich an diverse Suppen halten, bei der ich eine schmackhafte Kartoffelsuppe, serviert in einem ausgehöhlten Laib Brot wärmsten empfehlen kann. Wer es zudem noch süß mag, der kommt hier kulinarisch betrachtet auf jeden Fall voll auf seine Kosten, denn leckere Buchteln mit Vanillesoße sowie Palatschinken, wie man dort die Pfannkuchen nennt, schmecken einfach immer gut. Dazu trinkt man entweder in rauen Mengen Bier oder, wer es gerne nüchtern mag, einfach schnödes Wasser.
Für diejenigen, die gerne abends ausgehen, eignet sich als Absacker ein richtig guter Absinth! In diversen Cocktailbars wird Absinth in allen Variationen angeboten. Allerdings macht es hierbei tatsächlich Sinn, sich im Vorfeld mit der giftig grünaussehenden Flüssigkeit und deren Qualitätsmerkmale zu beschäftigen. Ein guter Absinth enthält nämlich guten Alkohol und keinen billigen Fusel sowie ausschließlich natürliche Zutaten und keine Farbstoffe. Das Prager Nachtleben bietet in zahlreichen Clubs und Diskotheken die Gelegenheit, die Nacht zum Tag zu machen. Kenner der Musikszene können sich schon vor ihrem Aufenthalt in der goldenen Stadt über Live-Auftritte in den einzelnen Locations wie das Rock Café oder den Musikclub Batalion informieren – vielleicht spielt ja die eine oder andere Lieblingsband gerade zu der Zeit in Prag.
“Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.” (Franz Kafka)