Von einer kleinen Weihnachtsgeschichte

Bald ist sie da, die Advents- und Vorweihnachtszeit! So langsam beginnen die Vorbereitungen. Und was passt da an diesen Tagen besser zu einem heißen Tee, Kaffee oder Kakao und leckeren Plätzchen als eine Advents- oder Weihnachtsgeschichte?

Die Weihnachtsgeschichte (von Brina Stein)

Es war mitten in der Nacht und der Himmel über der Weide begann plötzlich zu leuchten. „Das kann nicht sein, ist denn schon wieder Weihnachten?“, fragte mich mein Kumpel, der mir am nächsten lag. Ich streckte meine vier Glieder, als ich auch schon die Hirten aufsprangen sah. „Jedes Jahr das gleiche Theater“, gab ich zu. Mein Kumpel nickte. „Gleich wird der Engel mit großem Trara auftauchen“, meinte er und erhob sich. „Hm“, machte ich. Der Engel erschien am Nachthimmel, unsere Hirten machten sich fast in die Hose, aber sie versuchten authentisch zu sein und spielten wie jedes Jahr brav ihre Rolle. Der Engel sprach: „Fürchtet euch nicht! Seht, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“ Pünktlich nach dem Satz tauchten auch die anderen himmlischen Heerscharen auf, die das ganze Jahr darauf gewartet hatten, ihren wunderbaren Satz zu sprechen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“

„Nun kommt die Beratung unserer Hirten und wie jedes Jahr endet sie mit dem gleichen Ergebnis. Wir müssen mit ihnen nach Bethlehem latschen“, meinte mein Schafkumpel. „Genau“, stimmte ich zu. „Meinst du, dass in unserer modernen Zeit heute noch jemand an die Geschichte glaubt?“, fragte er mich. Plötzlich und unerwartet kreuzte der Engel auf einmal direkt neben uns auf. Er sah sehr ärgerlich aus und haute mit der Faust auf die grüne Wiese. Dann zischte er uns zu: „Was redet ihr denn hier? Das ist Gotteslästerung. Was seid ihr zwei nur für dämliche Schafe, die Geschichte des ewigen Lebens anzuzweifeln.“ Ich warf meinem Kumpel einen nachdenklichen Blick zu, dann sagte ich zu dem Engel: „Dein Auftritt ist schon vorbei, Engel, bis nächstes Jahr, nun schwirr mal wieder ab.“ Wutschnaubend entfernte er sich und tauchte die Wiese wieder in Dunkelheit. Da kamen die Hirten und trieben uns Richtung Feldweg. Nach einem Fußmarsch erreichten wir die Krippe.

Ein Krippenspiel, dass die Weihnachtsgeschichte erzählt!

Nur gut, dass sie unsere leisen Gespräche nicht hörten. Wir zwei waren uns inzwischen einig darüber, dass die ganze Weihnachtsgeschichte zwar romantisch, aber in unserer Zeit überholt war. Das bestätigte sich, als wir dann Maria und Josef erblickten. Langsam waren auch sie auch in die Jahre gekommen. „Nur das Baby, ja das Baby war jedes Jahr neu und sah auch in diesem Jahr aus wie gerade frisch geschlüpft. Die Heiligen aus dem Morgenland verpassten wir immer, da die Hirten nach Anblick des Kindes in der Krippe sofort davonlaufen mussten, um Gott zu preisen. Als das ganze Theaterstück vorbei war und Lars und ich wieder Menschen waren und unsere Schafskostüme in der Kirche in den Fundus zurückgebracht hatten, meinte mein Kumpel: „Also nächstes Jahr können die sich mal ein neues Schaf suchen, ich habe da keine Lust mehr zu. Wir spielen den Kram nun seit 6 Jahren, wir werden nächstes Jahr fünfzehn!“

Ich wollte gerade nicken, als ich die alte Frau erblickte, die anscheinend vor der Kirche auf uns gewartet hatte. Sie war inzwischen mit ihren neunzig Jahren die älteste Dorfbewohnerin und wir kannten sie seit Kindheitstagen. Sie lebte seit vielen Jahren allein, denn ihr Mann war schon lange tot und ihre Ehe war kinderlos geblieben. Heute fiel mir das erste Mal auf, wie gebrechlich sie inzwischen geworden war. Als sie uns sah, begann ihr Gesicht zu strahlen und sie sagte: „Ach, ihr Jungs, wie schön ihr wieder die Schafe gespielt habt, wenn ich euch in den Kostümen sehe, dann ist für mich Weihnachten, ich habe ja sonst an diesem Fest keine andere Freude mehr.“ Artig bedankten wir uns und ich meinte zu Lars: „Lass uns das doch nochmal überlegen.“ In diesem Moment rauschte „unser Engel“ Sofia mit dem Fahrrad an uns vorbei, natürlich ohne uns eines Blickes zu würdigen. Im Grunde war ich in sie verliebt.

Autorenporträt

Sabrina Reulecke (Kreuzfahrtautorin) schreibt unter dem Namen Brina Stein. Sie wurde in Berlin geboren, ist in Lübeck aufgewachsen und lebt heute mit ihrem Mann im Taunus. Vor über sechzehn Jahren hat sie die Kreuzfahrt für sich entdeckt. Fasziniert von den Möglichkeiten in einem Urlaub verschiedenste Länder zu entdecken, begann sie das Reisen mit dem Schreiben zu verbinden. Ihre Reiseerlebnisse wurden so zur Vorlage ihrer fiktiven Geschichten. Seit ihrem Debüt im Jahre 2012 hat sie insgesamt sechs Bücher der Wellengeflüster-Buchreihe in Verlagen veröffentlicht. Außerdem einen Bildband zu ihrer Kreuzfahrt um die Welt im Würzburger Verlagshaus Stürtz sowie eine maritime Anthologie als Herausgeberin zusammen mit neun anderen Autoren.

Besucht Sabrina gern auch auf ihrer Autorenhomepage und auf ihrem Reiseblog !

Liebe Sabrina, vielen herzlichen Dank für deine schöne Weihnachtsgeschichte!


Bildhinweise:

Das Autorenfoto ist Privateigentum von Sabrina Reulecke, die sich alle Rechte vorbehält. Wir bedanken uns bei Sabrina für die freundliche Genehmigung zur Verwendung des Fotos für diesen Artikel!

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.